In unserem Gymnasium hatten wir keine Zentralheizung. Denn das Gebäude war uralt, es hatte ungefähr 400 Jahre auf dem Buckel und war dementsprechend auch so beschaffen. In jedem Klassenzimmer stand ein mächtiger Kohlenofen, die mit Holz und Kohlen beheizt wurden. Am frühen Morgen vor Schulbeginn wurden sie vom Hausmeister angefeuert. Die Ofen strahlten dann auch über Stunden eine wohlige Wärme aus. Dies reichte an normalen Wintertagen mit kurzem Nachlegen bis in die letzte Stunde hinein. Nur in diesem kalten Winter 1957 hielt die Heizkraft des Ofens in unseren Klassenzimmer nicht so lange an. Die Mitschüler, die an der Fensterseite sassen, begannen dadurch schon lange vor Schulschluss erbärmlich zu frieren. Ich sass fast direkt am noch warmen Ofen. Diesen Platz hatte ich mir bereits im Sommer weitblickend ausgewählt, und hatte es noch mollig warm.
Die an den Fenstern Sitzenden wollten schon einige male in der letzten Pause Kohlen nachlegen. Dies konnte ich verhindern. Denn dies würde bedeuten, dass ich gehörig in´s Schwitzen käme. Als ich in der letzten Pause auf der Toilette war, nutzten es einige aus und befeuerten den Ofen mit Kohle. Kaum war ich wieder auf meinem bemerkte ich die Hitze, die aus dem Ofen strömte.
Kurz entschlossen nahm ich die Schüssel mit Tafelwasser, riss die Ofentüre auf und schüttete das Wasser hinein. Im Nu quoll eine dichte weisslich grün-gelbe Rauch-wolke aus der offenen Ofentüre und verbreitete sich im Klassenzimmer. Es war kaum noch etwas zu sehen. Die Mitschüler konnte ich nur noch als schemenhafte Wesen erkennen, die wie in Wolken sassen. Es stank fürchterlich nach Schwefel und undefi-nierbarem Zeugs. Wir alle schnappten nach Luft und husteten wild durcheinander.
Ich wollte mich gerade zu den Fenstern tasten um sie aufzureissen, als sich die Zimmertüre einen Spalt öffnete und ein schemenhafter Kopf erschien. Es war unser Deutschlehrer, der aber schnellstens wieder die Türe zuschlug und verschwand.
Endlich konnten ich und ein paar andere die Fenster öffnen, als wieder die Türe aufgerissen wurde ein neuer Besucher da stand. Es war leibhaftig unser Rex, Herr Meinel und hinter ihm versteckte sich unser Deutschlehrer.
„Wer hat hier Wasserstoff-Kaliumchlorat, Phosphorbomben geschmissen“ brüllte der Schulrektor in unsere Husterei hinein. Als ich mich meldete und eine Erklärung ver-suchte, schrie er nur noch aufgebrachter „ah der Scheel, hört es denn nie auf mit dem, sofort mitkommen! Ich bleibe nicht in diesem fürchterlichen Gestank.“ Und wie ein zum Tode Verurteilter trabte ich hinter ihm her zu seinem Büro.
Dort hielt er mir eine Standpauke, die sich gewaschen hatte, und schnitt mir dabei jedes Wort ab. Dann bestrafte er mich noch mit 2 Stunden Nachsitzen und einem schriftlichen Verweis.
Bald danach setzte ein milderes Wetter ein, die Wiesen wurden matschig und der Schnee schmolz, so dass an Wintersport nicht mehr zu denken war. Und die Ofen-wärme hielt auch wieder bis zur letzten Stunde an, so dass ich keine Löschversuche mehr machen musste.
Foto Heimatmuseum Oettingen / Sammlung Foto Fischer